Blühende Bänder – Ergebnisse des Forschungsprojekts

Von 2019 bis 2023 war Green City e.V. Partner im Forschungsprojekt „Blühende Bänder“, das vom Lehrstuhl für Renaturierungsökologie der Technischen Universität München durchgeführt wurde. Green City e.V. war für Wissensvermittlung, die begleitenden Kommunikationsmaßnahmen, Workshops und Bürgerbeteiligung verantwortlich. An dieser Stelle möchten wir uns aber mal genauer ansehen, zu welchen Ergebnissen die Wissenschaft gekommen ist.

Der Rückgang der Artenvielfalt, sowie das erhöhte Auftreten von Hitze- und Starkregenereignissen als Folgen des Klimawandels, sind die großen Herausforderungen unserer Zeit, die besonders Städte betreffen. Diese Entwicklungen sind bedeutende Einflussfaktoren für die menschliche Ernährung und Gesundheit. Das vorliegende Forschungsprojekt untersuchte unter anderem die Potentiale von Straßenrandbegrünung hinsichtlich der Förderung ökologischer Artenvielfalt und einer Abmilderung von Klimawandelfolgen.

Die Fragestellung des Projekts

Mit Blick auf die Städte sind Straßenränder ein Typ urbanen Grüns, der bislang kaum hinsichtlich seiner Anpassungsmöglichkeiten an den Klimawandel untersucht wurde. In München machen Straßenränder knapp 20% aller Grünflächen aus. Ein enormes Flächenpotential! Dieser Thematik ist das Forschungsprojekt Bunte Bänder für unsere Städte in Zeiten des Klimawandels: Naturnahe städtische Blühflächen entlang von Verkehrsachsen zur Förderung der ökologischen Funktionalität nachgegangen. Eine artenreiche städtische Vegetation ist in mehrfacher Hinsicht ein wichtiger Baustein zur Anpassung an den Klimawandel und zur Abmilderung seiner Folgen. Welche Potentiale hat Straßenbegleitgrün in diesem Zusammenhang hinsichtlich der Verbesserung des Mikroklimas und der Insektenförderung?

Teil eines interdisziplinären Netzwerks

Die blühenden Bänder waren Teilprojekt innerhalb des Zentrums Stadtnatur und Klimaanpassung (ZSK). Dort werden aktuelle Fragestellungen in den Bereichen der Stadt- und Landschaftsplanung, Architektur und Ökologie behandelt (www.zsk.tum.de). Verschiedene Forschungsgruppen arbeiten in unterschiedlichen Disziplinen an Handlungsempfehlungen für Städte und Kommunen. Untersucht wird, wie eine „Urbane Grüne Infrastruktur“ (UGI) ihren Teil bei den Städten der Zukunft zur Anpassung an den Klimawandel beitragen kann.

Die Gestaltung der Experimente und Methoden

Zentraler Bestandteil des Forschungsvorhabens war die Anlage von insgesamt 75 Blühflächen in den grünen Randstreifen von fünf großen Verkehrsachsen in München. Der dort vorherrschende artenarme Grasbewuchs wurde durch eine insektenfreundliche, naturnahe Blühmischung aus heimischen Wildpflanzen ersetzt. Die Flächen waren vom Stadtzentrum entlang verschiedener großer Ausfallstraßen bis zu städtischen Randgebieten angelegt, wodurch jeweils eine Art Band entstand.

Außerdem dienten zwei Verkehrsachsen ohne Einsaat der Blühmischung zur Erfassung des Ist-Zustandes der bereits vorhandenen Standardbegrünung und als Vergleichskontrolle mit den eingesäten Flächen.

 

Übersicht der Standorte

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Ziele des Forschungsvorhabens waren unter anderem:

  • Die Anlage eines Blühflächen-Verbundes mit dem Effekt der Förderung bestäubender Insekten und als Maßnahme zur Klimaanpassung durch verbesserte Kühlungseffekte durch die gesteigerte Infiltration und Speicherung von Wasser
  • Die Beantwortung der Frage, inwiefern sich die Erhöhung der Pflanzenvielfalt an den Straßenrändern auf die Klimaresilienz und ihre Attraktivität für  auswirkt
  • Untersuchung, welchen Einfluss die Lage der Blühflächen in der städtischen Landschaft auf ihre Rolle als Nahrungsquelle hat
  • Verbesserung der Lebensqualität der Bürger*innen durch die mikroklimatischen Effekte und ästhetische Aufwertung der Straßenränder
  • Entwicklung von Kompromissvorschlägen zur künftigen Handhabe von Straßenbegleitgrün im Spannungsfeld zwischen Naturschutz und städtischer Grünflächenpflege

Entlang der ausgewählten Straßen wurden im ersten Jahr 2019 insgesamt 25 Blühflächen angelegt. Im zweiten Versuchsjahr (2020) wurden dann im Abstand von 25 m zu den ersten Flächen an den Straßenzügen jeweils eine weitere angelegt. 2021 folgten dann an jedem Standort im Abstand von 75 m zur ersten Fläche die dritte Fläche. In 225 m Entfernung lag zudem jeweils eine Kontrollfläche, auf der nicht eingesät wurde. Jede Fläche war acht Quadratmeter groß (2 m x 4 m).

Anschließend wurde untersucht, welchen Einfluss diese Maßnahmen auf die ökologische Artenvielfalt hatten. Zu verschiedenen definierten Zeitpunkten über den gesamten Zeitraum des Projektes hinweg analysierten die Forscher*innen sowohl welche Arten auf den Blühflächen auftraten, als auch wie viele Individuen jeweils zu finden waren. Sie untersuchten diese Parameter sowohl hinsichtlich Flora, als auch der Insektenfauna, wie: Wild- und Honigbienen, Hummeln, Schwebfliegen und Käfer.

Die Flächen wurden zudem hinsichtlich verschiedener weiterer Aspekte untersucht, wie beispielsweise der Wasserinfiltration – also wie gut das Wasser auf den Flächen in den Erdboden eindringen kann. Nachgegangen wurde zudem der Frage, welchen Einfluss die krautige Vegetation der angesäten Flächen auf die Temperatur der Bodenoberflächen hat. An warmen Tagen im August 2020 und 2021 wurden hierfür Untersuchungen mit Wärmebildkameras durchgeführt.

Die wichtigsten Ergebnisse des Projekts

  • Die Einsaaten entlang der Straßenzüge trugen deutlich zur Steigerung der Artenvielfalt bei (Flora).
  • Die gesteigerte Vielfalt an blühenden Kräutern und Blütenangebot wirkte sich positiv auf die Insektengemeinschaft aus (hinsichtlich Individuen- und Artenzahl). Die Entwicklung der Blühflächen über die Jahre hinweg hatte einen positiven Effekt auf die Anzahl der Insekten (Je älter die Flächen waren, desto mehr Pflanzen kamen als Nahrungsquelle zur Blüte.)
  • Bezüglich der Fähigkeit Wasser zu speichern, unterschieden sich konventionelles Straßenbegleitgrün und die experimentellen Blühflächen nicht signifikant voneinander. Eine Erklärung hierfür ist unter anderem das reichhaltige und faserige Wurzelsystems, das auch reine Rasenflächen aufweisen.
  • Verglichen mit herkömmlichen Rasenflächen waren die Oberflächentemperaturen auf den Blühflächen signifikant niedriger. Laut Abschlussbericht der Forschenden kann der Unterschied zwischen 5 und 14 Grad Celsius betragen. Das ist unter anderem mit der räumlich komplexeren Struktur der Vegetation auf den Blühflächen zu erklären, in denen sich die Luft nicht so aufheizen kann.

Unterschätzte Grünflächen

Angesichts der starken Nachverdichtungsprozesse in Siedlungsgebieten sind Straßenränder unterschätze Flächen, wenn es um die ökologische Aufwertung bestehender Grünflächen geht. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass sie durch bauliche Maßnahmen verschwinden, ist vergleichsweise gering. Straßenbegleitgrün ist in der Regel keine Fläche, auf der Bauvorhaben umgesetzt werden.

Es würde oftmals bereits helfen, wenn die Flächen weniger intensiv gemäht werden, als es momentan vielerorts Praxis ist. Die Forscher*innen sehen viel Potential im Ausbringen heimischer Wildpflanzenmischungen im Siedlungsbereich, vergleichbar mit jener, die im Projekt verwendet wurde. Besondere Rahmenbedingung wie Verkehrssicherheit oder die besonders trockenen Verhältnisse auf Straßenbegleitgrün müssen berücksichtigt werden. Dazu zählen auch der mitunter hohe Salzgehalt und Nährstoffkonzentrationen. Bei der Zusammensetzung der Saatmischung müssen diese Einfluss-Faktoren berücksichtigt werden.

Dichte Baumkronen nahe der Versuchsflächen wirkten sich zudem hemmend auf die Entwicklung von Blüten aus. Die ökologische Aufwertung von Straßenbegleitgrün hat also vor allem Effekte in offenen Flächen, oder mit jungem Baumbestand.

In dem Projekt zeigte sich, dass die Oberflächentemperaturen an heißen Sommertagen signifikant reduziert waren. Strukturell komplexere (krautiger gewachsene) Vegetationsflächen scheinen zur Temperaturregulation beizutragen. Insgesamt gilt, dass Straßenbegleitgrün hinsichtlich der untersuchten Klimafunktionen weniger wertvoll ist wie ausgedehntere Grünflächen. Ihr großer Wert besteht eher darin, städtische Ökosysteme zu vergrößern und zu verbinden, wenn größere Grünflächen aus Platzgründen oder logistischen Gründen nicht angelegt werden können.

Die Forschungsergebnisse wiesen erneut auf den besonderen Wert von Bäumen hinsichtlich Temperaturregulation (Verschattung) und Verdunstung hin.

Bäume unschlagbar

Die beste Verschattungs- und Kühlungsmethode urbanen Grüns/Stadtbegrünung ist entsprechend des Abschlussberichts trotz allem der Baum. Insbesondere, wenn die Baumkrone im Laufe der Jahre ein gewisses Volumen erreicht hat. Mit heimischen Wildpflanzen versehene Flächen (komplexere Vegetation) können aber dort eingesetzt werden, wo Baumpflanzungen beispielsweise nicht möglich sind.

Blühflächen als Bienen-Magneten

In stark bebauten „städtischen“ Bereichen konnte ein sogenannter Urbanisationseffekt beobachtet werden: Die angelegten Flächen wirkten als „Inseln der Artenvielfalt“, die besonders Wildbienen hochfrequent genutzt haben. Das verdeutlicht, dass bei der heutigen Grünflächenplanung und Nachverdichtungsmaßnahmen Biodiversität und naturschutzfachliche Aspekte viel stärker berücksichtigt werden müssen. Wie stark einzelne Insektengruppen profitieren, hängt dabei von ihren unterschiedlichen Lebensweisen ab, sowie der Grad ihrer Spezialisierungen auf Nistmöglichkeiten und Futterquellen.

Hinsichtlich der Wildbienen und Wespen wurden bei den Versuchen überwiegend generalistische Arten gefunden. Solche Arten sind nicht auf bestimmte Pflanzen als Pollenquellen oder besondere Niststrukturen angewiesen. Insbesondere für anspruchsvollere Insekten, die als Spezialisten gelten, sind größere Lebensräume von Bedeutung, zu deren Vernetzung artenreiche Straßenränder aber beitragen können. Besonders wichtig für den Artenschutz wäre es daher, Stadtbrachen, nicht mehr genutzte Gleisflächen und Bahndämme, Sand- und Kiesflächen von Bebauung freizuhalten.

Um die Funktionalität (Anzahl produzierter Samen, Gewicht gebildeter Früchte) Urbaner Grüner Infrastruktur zu verstehen und zu beeinflussen, muss Anordnung und Art der umgebenen Landschaftsbestandteile berücksichtigt werden. In stark urbanisierten Bereichen mit wenig alternativen Blütenressourcen in der Umgebung konzentriert sich die Bestäubung beispielsweise auf das vorhandene Angebot und führt zu Bildung größerer Früchte. In der Umgebung gab es weniger Angebote, weswegen es auf den angelegten Blühflächen quasi zu einer intensiveren Nutzung kam. Grundlage für diese Ergebnisse waren sogenannte Phytometer-Experimente. Übrigens eine bemerkenswerte Zahl, die verdeutlicht, warum der Mensch schon aus Eigeninteresse dem Insektenschutz höchste Priorität einräumen sollte: 91 der 107 weltweit am häufigsten angebauten Kulturpflanzen sind auf Bestäuber angewiesen (NABU)

Pflanzliche Gradmesser – die Phytometer

Pflanzen passen ihre Frucht- und Samenproduktion an die äußeren Umstände an. Der Faktor bestimmt, wie Pflanzen neue Gebiete besiedeln oder sich langfristig etablieren können. Um die Auswirkungen der Blühflächen des Experiments auf diesen Faktor zu verstehen, wurden sogenannte Phytometer-Pflanzen verwendet. Das sind Pflanzen, die direkt von bestäubenden Insekten abhängig sind. Und somit sind sie ein guter Indikator, wie hoch die Bestäubungsleistung durch Insekten an den zu untersuchenden Stellen ist. In den Versuchen wurden Gartenerdbeere, Scharfer Hahnenfuß und der Wiesenklee verwendet. Die Früchte der Erdbeere sind beispielsweise schwerer und entwickeln weniger Fehlbildungen, wenn sie von Insekten bestäubt werden.

Praxistipps als Teil der Ergebnisse

Aus den Erfahrungen und Ergebnissen des Projekts leiten die Forschenden konkrete Tipps für die Anlage artenreichen Straßen-Begleitgrüns ab. Diese sollten sich Kommunen und Stadtverwaltungen zu Herzen nehmen, bieten aber auch einen Mehrwert für Privatpersonen, die konventionelles Grün „verwildern“ lassen möchten.

  • Ein nährstoffarmer Boden ist für die Etablierung einer Wildpflanzen-Gemeinschaft essentiell -> mageres Substrat wie Sand, Kies oder Schotter sollten beim Anlegen verwendet werden. So werden invasive Neophyten wie Goldrute oder Springkraut eingedämmt und konkurrenzschwächere, heimische Arten haben eine Chance.
  • Unter alten Bäumen mit dichten Baumkronen gedeihen Wildpflanzen-Flächen deutlich schlechter. Freie Flächen oder solche mit nur jungen Bäumen sind für die Ansaat zu bevorzugen
  • Die Flächen sollten nicht öfter als zweimal im Jahr gemäht werden (Juni/Juli und Spätherbst). Das Mähgut sollte entfernt werden, um daraus resultierenden Nährstoffeintrag zu minimieren.
  • Die Zusammenstellung der Blühmischung hängt vom Ziel ab. Soll die Fläche eher der Klimaanpassung oder der Biodiversität dienen? Insbesondere Straßenbegleitgrün ist oft Trockenstress ausgesetzt, was die Anzahl der in Frage kommenden Arten eingrenzt. Grundsätzlich sollten regional vorkommende Wildpflanzen verwendet werden. An sie sind heimische Bestäuber angepasst. Einjährige Arten wie Acker-Rittersporn, Klatschmohn oder Kornblume führen zu einer schnellen Begrünung und Blüte bereits im ersten Jahr. Ein Gräseranteil von 20–50 Prozent verbessert die Wasseraufnahmefähigkeit des Bodens. Die Saatmischung sollte Pflanzen hervorbringen, die sich unter anderem in Blühzeitpunkt, Blühdauer, Wuchs- und Wurzelart möglichst gut komplementieren.

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